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Ein Erdrutsch, viel heiße Luft und dann nichts

 

Nach tagelangen heftigen Regenfällen gab es im Dorf Dardha in den albanischen Bergen am 12.03.2018 einen massiven Erdrutsch, Gott sei Dank ohne Verletzte und Tote. Auf einer Fläche von ca. 3 Hektar entstand ein zwanzig Meter tiefer Krater. Fünf Familien wurden von dem Unglück betroffen. Eine Familie hat ihr Haus und ihr komplettes Land verloren, ein anderes unbewohntes Haus wurde ebenfalls zerstört, eine Familie hat ihren Stall und einen Teil ihres Feldes eingebüßt, zwei Familien leben nach wie vor in ihren unbeschädigten Häusern nahe des Kraters. Allerdings sind diese Familien nur schwer zu Fuß erreichbar. Der Weg, der zu ihren Häusern führte, existiert nicht mehr.

Direkt am Morgen des folgenden Tages konnte ich das gesamte Ausmaß des Erdrutsches in Dardha in Augenschein nehmen. Später kamen auch die zuständigen Verantwortlichen: der Bürgermeister der Großkommune Fushë-Arrëz samt einer großen Delegation von wichtigen Leuten, der Chef der Verwaltungseinheit Blerim, der Kreisrat des Kreises Puka, eine Abordnung der Regierung aus Tirana und viele andere.

 

Das Ereignis „Erdrutsch in Dardha“ ging tagelang durch die Medien, immer wieder gab es vollmundige Interviews und Pressemitteilungen, in denen den betroffenen Familien sofortige Hilfe versprochen wurde: „Das Terrain sei komplett unbewohnbar. Man habe alle Maßnahmen ergriffen, die notwendig sind. Den Familien werde schnell geholfen, das habe absolute Priorität …

 

Noch am Abend dieses Tages haben wir zwei Familien ins Pfarrhaus von Dardha aufgenommen: das Ehepaar Kin und Lula Marashi und eine sechsköpfige Familie: Pashk Mëhilli und seine Frau Liza und die vier Kinder Sidorela 20, Danjeta 18, Valmira 15 und Egzon 13. Beide Familien wohnen jetzt im Erdgeschoß des Pfarrhauses in einem oder zwei Zimmern. Das Bad müssen sie gemeinsam benutzen. Gleich am nächsten Tag haben wir zwei Öfen gekauft, für die Ofenrohre extra die Außenmauer aufgebrochen und die Familien mit Lebensmitteln und dem Nötigsten versorgt.

In einer Mail habe ich Freunden des Vereins „Kinder helfen Kindern“ gegenüber den Erdrutsch in Dardha erwähnt. Die haben in einer beispiellosen Solidaritätsaktion sofort reagiert und eine große Summe Geld gespendet für die betroffenen Familien und den Wiederaufbau der zerstörten Häuser und der Infrastruktur. Auch der Provinzial der Deutschen Kapuziner hat mir Hilfe zugesagt, falls notwendig. Also, von unserer Seite wären die Finanzen dafür sofort abrufbar.

 

Und was ist bislang – drei Monate nach dem Erdrutsch - von Seiten der Kommune oder des Kreises Puka oder gar der Regierung in Tirana geschehen? Nichts! Absolut nichts! Außer: man hat den Familien ein ausrangiertes Armeezelt ohne Gestänge zur Verfügung gestellt. Es ist absurd!

 

Viele Telefonate habe ich geführt. Mindestens fünf Mal habe ich mich seitdem mit dem Bürgermeister zusammengesetzt, um Lösungen für die betroffenen Familien zu finden. Da ging es z.B. darum, die noch bewohnten Häuser zu stabilisieren. Dafür wäre die Öffnung eines neuen Weges notwendig, um dann mit einem Bagger am Kraterboden arbeiten zu können. Dann würden mit Steinen gefüllte Gitterboxen aufgebaut, die die Böschungen stabilisieren sollen. Oder es ging um den Erwerb eines Stückes Land, - es gibt genügend brachliegende Ländereien und verlassene Häuser von weggezogenen Familien in Dardha - damit die vom Erdrutsch Betroffenen, die alles verloren haben, dort ein neues Haus bauen könnten usw. Dafür würde ja die Geldspende verwendet werden können. Aber! Soweit, so gut die Ideen.

Geschehen ist bislang von Seiten der Kommune nichts, außer dass es wieder viele Versprechungen gab, immer wieder und immer wieder: „Gleich Morgen wird der Bagger vor Ort sein, gleich morgen werden wir die Eigentumsverhältnisse für den Weg klären“ und ähnliche. Alles heiße Luft!

 

Wie es aussieht, werden wieder einmal die betroffenen Familien hingehalten, schöne pressewirksame Bekundungen sofortiger Hilfsmaßnahmen mit absoluter Priorität herausgelassen … aber dann? Nichts!

 

Wie es aussieht, werden die Familien, wie so oft nach einem Unglück, vom albanischen Staat oder der zuständigen Kommune im Stich gelassen. Die Zuständigen haben einfach kein Interesse, zu helfen. Ein Unglück bleibt bei den Betroffenen hängen. Sie allein tragen die volle Last.

 

In der Vergangenheit gab es oft genug Fälle, dass sich die Politiker und die Verantwortlichen an der Not der Menschen auch noch bereichert haben. Man hat Hilfsgelder bei der Regierung beantragt, sie dann auch bekommen und dann in die eigene Tasche gesteckt.

 

Es ist nervtötend und beschämend, wie sich die Verantwortlichen verhalten. Und es ist unfassbar und traurig, dass die betroffenen Menschen so etwas einfach hinnehmen. Man kämpft nicht für seine Rechte – das hat der Kommunismus den Menschen ausgetrieben. Das prägt auch heute noch – 28 Jahre nach dem Ende der Hoxha-Diktatur – das Verhalten vieler Menschen.

Trotzdem hoffe ich, dass irgendwann doch noch Bewegung in das Ganze kommt, dass es eine Perspektive gibt für die betroffenen Familien des Erdrutsches in Dardha. Wir werden am Ball bleiben ... .

 

 

05.06.2018

Br. Andreas Waltermann

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